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„Als ich aus der Zeit fiel“

von Renja Lüer | 26. Januar 2022

Ein mutiges Buch – Jens Jüttner berichtet in seinem „autobiografischen Sachbuch“ über seine psychische Erkrankung, genauer seine paranoide Schizophrenie. Und er berichtet nicht nur, er setzt sich auch mit den medizinischen Aspekten seiner Erkrankung auseinander und vermittelt dem Leser so ein über sein persönliches Schicksal hinausgehendes eindrückliches Bild von einer Krankheit, von der in Deutschland nach Angaben der DGPPPN (Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie, und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde) etwa 400.000 Menschen betroffen sind.

Jüttner: Irgendwann fängt es einfach an und plötzlich beginnt sich die eigene Wahrnehmung zu verändern: Du meinst, alle Menschen kennen dich! Alle reden über dich! Alle starren dich an! Klar, deine Wohnung ist verkabelt, dein Auto verwanzt, dein Telefon wird abgehört! Sogar die Medien berichten über mich! Was passiert da mit mir?

Es ist nach wie vor in unseren Breiten eher ungewöhnlich, dass ein psychisch erkrankter Mensch offen über seine Krankheit redet oder gar schreibt. Vielmehr sind die Erkrankten – ebenso wie ihre persönliche Umgebung – eher geneigt, den Mantel des Schweigens oder der Verharmlosung über eine als peinlich oder gar als anstößig empfundene Krankheit zu decken. Der  Autor selbst bildet da zunächst keine Ausnahme, hatte er doch auch jahrelang Schwierigkeiten, offen und offensiv mit seinem Leiden umzugehen. Sein Lernprozess hat dazu geführt, dass er mittlerweile Vorträge zum Thema „Schizophrenie“ hält und für andere Erkrankte als Genesungsbegleiter tätig ist.

Jüttner: Schizophrenie ist eine verstörende, befremdliche und für viele auch angsteinflößende Krankheit. Ich kann diese Gefühle verstehen, denn ich stand der Schizophrenie genauso gegenüber, bevor, bevor ich selbst betroffen war.

Das Buch – obwohl Sachbuch – liest sich spannend, es gelingt Jens Jüttner, den Leser hautnah am Auf und Ab seiner etwa 10 Jahre andauernden Krankheitsgeschichte teilhaben zu lassen. Dabei sieht der Autor auch seine eigene Rolle im Verlauf des Geschehens nun aus der Rückschau durchaus kritisch und legt dar, welche Fehler und Versäumnisse ihm selbst in der Vergangenheit zuzurechnen sind. Er plädiert nachdrücklich dafür, selbst Herr seiner eigenen Therapie zu werden, anstatt sich von ihr bestimmen zu lassen; dass er sich diese Erkenntnis mühsam aneignen musste, verschweigt er nicht.

Jens Jüttner, heute mit seiner Vergangenheit und seiner Erkrankung “im Reinen“, benennt am Ende seines Buches die Faktoren, die ihm seinen Weg aus dem Leiden ermöglicht haben: Einsatz der richtigen (!) Medikamente, Entlastung von nicht zu bewältigenden beruflichen und persönlichen Aufgaben sowie eigenes Training zur Überwindung von Symptomen.

Jüttner: Während mit anderen psychischen Erkrankungen mittlerweile offener umgegangen wird, ist Schizophrenie immer noch stigmatisiert und wird gerne totgeschwiegen.

In seinem Vorwort lobt Prof. Dr. Joachim Cordes, Chefarzt der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie der Kaiserswerther Diakonie, das Buch eines ehemals Erkrankten als wichtigen Beitrag zur Vermeidung von Vorurteilen und zur Aufklärung über psychische Erkrankungen, gerichtet an Betroffene, Angehörige und die Allgemeinheit. Und nicht zuletzt seien auch für Ärzte und Pflegekräfte die Erfahrungsberichte Betroffener wie der vorliegende wichtig für das Grundverständnis der Erkrankung.

Link zum Buch https://pinguletta.de/als-ich-aus-der-zeit-fiel.html