Blog

Buchrezension: Männer und der Übergang in die Rente

von Manfred Schmitz-Berg | 8. Dezember 2020

Wenn Männer pensioniert werden, ist das nicht immer so schmunzelnswert wie in Loriots „Pappa ante Portas“. Dort sitzt der frisch vor die berufliche Tür gesetzte ehemalige Einkaufsleiter Heinrich Lohse am heimischen Esstisch und verkündet, dass er nun seine Expertise mehr ins Häusliche, Private verlege. Aber so einfach ist es nicht. Dass der Übergang vom Berufsleben ins Rentnerdasein oft holprig abläuft, ist zu ahnen – und nicht nur Filmgeschichte, sondern durchaus real. Bis zum Jahr 2050 wird es etwa 23 Millionen über 65-Jährige in Deutschland geben. Dadurch wird es gesellschaftlich wie individuell zunehmend notwendig, gute Voraussetzungen für das Rentenalter als Lebensphase zu schaffen.

Insbesondere Männer, die sich oft stark mit ihrer Berufstätigkeit identifizieren, sind gefordert, ein hohes Gesundheitspotenzial und gute soziale Bedingungen verantwortungsbewusst aufzubauen. Gute Gründe also, das Thema Männergesundheit mehr in den Fokus zu rücken. So befasst sich seit dem Jahre 2006 auch die Stiftung Männergesundheit damit, „Männer gesünder zu machen“. Hintergrund dieses Bestrebens ist der Umstand, dass Männer eine um knapp fünf Jahre kürzere Lebenserwartung als Frauen haben. Zu den Aktivitäten des Vereins zählt auch die Veröffentlichung fachbezogener Publikationen. Nun ist im Gießener Psychosozial-Verlag der Vierte Deutsche Männergesundheitsbericht mit dem Titel „Männer und der Übergang in die Rente“ erschienen.

Auf knapp 300 Seiten wird von 38 Autoren unterschiedlichster Fachrichtungen ein breites Spektrum zu den verschiedenen Aspekten des Themas Männergesundheit aufgefächert. Es ergeben sich wichtige Themen für die Politik, für die Soziale Arbeit und für den gesellschaftlichen Diskurs insgesamt: die Situation der Erwerbsarbeit zehn Jahre vor der Berentung, die Übergangsphase sowie gesundheitsfördernde Projekte für Männer vor und nach dem Renteneintritt.

Das allgemeinere 1. Kapitel beschäftigt sich mit der – physischen und psychischen – gesundheitlichen Lage von Männern zwischen 55 und 75 Jahren, während Kapitel 2 die Situation vor der Berentung (55 bis 65 Jahre) und Kapitel 3 die Übergangsphase und das „dritte Lebensalter“ (65 bis 75 Jahre) behandeln. Im anschließenden 4. Kapitel werden Modelle guter Praxis vorgestellt, bevor Mitherausgeber Dr. Matthias Stiehler ein Fazit aus den vorhergehenden Untersuchungen zieht. Die einzelnen Beiträge zu Themen wie „Vorzeitige Sterblichkeit“, „Psychosoziale Arbeitsbelastungen bei älteren erwerbstätigen Männern“, „Berentung als kritisches Lebensereignis“ oder „Lebensperspektiven 50plus“ bieten eine Fülle von Informationen und statistischen Materialien, die in erster Linie für diejenigen Menschen von Interesse sein dürften, die sich von Berufs wegen praktisch oder wissenschaftlich mit der Situation von Männern in der zweiten Lebenshälfte zu befassen haben. Zudem wird an für die Praxis und deren Handlungsbedarf orientierten Folgerungen und Empfehlungen nicht gespart.

„Nationale Männergesundheitsstrategie“

Jeder Beitrag enthält jedoch auch eine kurze Zusammenfassung (in Deutsch und Englisch), die fachfremden Leser*innen, die sich eher überschlägig mit der Problematik beschäftigen wollen, durchweg profunde und verständliche Erkenntnisse vermittelt. So etwa legt Professorin Dr. Doris Bardehle in ihrem Fazit zum Beitrag „Vorzeitige Sterblichkeit“ nachvollziehbar dar, dass sich die Erhöhung der Lebenserwartung von Männern im Vergleich mit den Frauen nicht „im Selbstlauf“ einstellt, sondern dass es insoweit zielgerichteter Maßnahmen auf verschiedenen Ebenen, einer „nationalen Männergesundheitsstrategie“ bedarf.

In seinem abschließenden Fazit macht Herausgeber Stiehler nochmals deutlich, dass gesellschaftliches und politisches Handeln die Grundlage dafür ist, dass die wachsende Zahl älterer Menschen (und mithin Männer) möglichst noch viele Jahre bei guter Gesundheit und Lebensqualität verbringen kann. Aber auch jeder ist herausgefordert, für sich selbst die Frage nach seinen Erwartungen an die „dritte Lebenszeit“ und seinen individuellen Gestaltungsmöglichkeiten zu beantworten.

Fazit:

Ein empfehlenswertes Buch für die Entscheidungsträger in Politik, Wirtschaft, Gesundheitswesen und im Sozialbereich. Es hält aber auch für interessierte Laien zahlreiche wertvolle Informationen und Denkanstöße bereit: Denn schließlich werden die meisten von uns früher oder später damit umgehen müssen, das Erwerbsleben ausklingen zu lassen und möglichst gut vorbereitet und gesund die dritte Lebenszeit zu meistern, mithin „aktiv zu altern“.

Literaturangabe: Hendrik JürgesJohannes SiegristMatthias Stiehler (Hg.): „Männer und der Übergang in die Rente“, Vierter Deutscher Männergesundheitsbericht der Stiftung Männergesundheit, Buchreihe: Forschung Psychosozial, Verlag: Psychosozial-Verlag, erschienen im November 2020, ISBN-13: 978-3-8379-3023-8